Hardrock läuft auf dem Oberdeck, das euphorisierte Publikum wirft die Köpfe vor und zurück und reckt die Hände in die Luft. Einige springen in den Pool und feiern dort weiter – so kann es abgehen während der Full Metal Cruise, diesem Musikfestival auf dem Meer. Es hat Kultcharakter und ist stets in kurzer Zeit ausverkauft.
Auch die Tickets für die elfte Auflage in diesem September waren schnell vergriffen – für die erste der beiden Full Metal Cruises XI auf der „Mein Schiff 3“ gingen sie laut Tui Cruises binnen weniger Minuten weg.
Heavy Metal auf See ist eine Erfolgsstory
Heavy Metal auf hoher See, das ist für Tui Cruises seit der Premiere vor gut zehn Jahren eine Erfolgsstory. Doch es ist längst nicht die einzige Kreuzfahrt mit einem speziellen Thema im Angebot der Hamburger Kreuzfahrtgesellschaft: Für Hip-Hop-Fans gibt es die Meerbeats-Fahrt, wo die Fantastischen Vier in diesem Jahr Headliner sind, Schlager-Fans dürfte die Kreuzfahrt mit Live-Konzerten von Andrea Berg im Frühherbst ansprechen und die Karnevalisten schiffen ein, wenn das Schiff zum „Jeckliner“ wird.
Auch Aida Cruises, der zweite große deutsche Meereskreuzfahrtanbieter mit Sitz in Rostock, ist bei Themen- und Eventkreuzfahrten breit aufgestellt: Erst jüngst war die „Aidaprima“ auf Festival Cruise, mit dem Berliner Rapper Sido als einem der Acts. Zu „Aida tanzt“ kommt im Juni „Let‘s Dance“-Jurorin Motsi Mabuse mit mehreren Profitänzerinnen und -tänzern aus der RTL-Show auf die „Aidadiva“.
Es gibt Comedy-Kreuzfahrten, Krimi-Kreuzfahrten, Oktoberfest-Kreuzfahrten – die Bandbreite ist groß. Tui Cruises ließ jüngst die „Mein Schiff 4“ zur ersten Wildcat Tattoo Cruise ablegen, mit Bands wie The BossHoss und rund 50 Tattookünstlern aus aller Welt. „Das war die allererste Tattoo-Convention auf See“, sagt Christoph Löffler, der für die Planung der „Mein Schiff“-Eventkreuzfahrten verantwortlich ist. „Ein voller Erfolg“, versichert er. Es soll nicht die letzte Tattoo Cruise gewesen sein.
Image und neue Zielgruppen
Doch worum geht es bei diesen Kreuzfahrten? Aus Sicht der Kreuzfahrtexpertin Gina Wagener versuchen Reedereien damit einerseits, Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln. „So etwas hat einen großen Einfluss auf das Image“, sagt sie. Die Full Metal Cruise zum Beispiel verbinden die Menschen mit Tui Cruises und der „Mein Schiff“-Flotte.
Das sorgt für Abgrenzung zu Mitbewerbern. Das sei umso wichtiger auf dem größeren amerikanischen Markt, auf dem Reedereien wie Royal Caribbean und Carnival Cruise Line im Wettbewerb zueinander stehen, sagt Wagener. „Die haben noch viel ausgefallenere und skurrilere Themenkreuzfahrten.“ Zum Beispiel das Big Nude Boat, eine Kreuzfahrt für - richtig - FKK-Freunde.
Kreuzfahrt statt Festival
Andererseits geht es aber auch darum, neue Zielgruppen zu erschließen und auf ein Kreuzfahrtschiff zu locken, wie Wagener sagt, die als Professorin für Touristik und Seetouristik an der Hochschule Bremerhaven lehrt.
„Viele Deutsche schließen Kreuzfahrten nahezu kategorisch aus. Wenn, dann kriege ich diese Leute eher über die Themen.“ Die Full Metal Cruise habe ja kaum jemand gebucht, der schon etablierter Kreuzfahrer war, so Wagener. Doch von denen, die einmal mitgefahren sind, seien nachher tatsächlich einige auch auf normale Kreuzfahrten gegangen. „Sie haben dabei nämlich gesehen, dass diese Form des Reisens sehr komfortabel ist.“
Christoph Löffler von Tui Cruises nimmt sich selbst als Beispiel: „Ich bin jetzt fast 50 Jahre alt, bin ein großer Musikfan, war ein großer Festival-Gänger. Doch die Zeiten im Zelt auf dem Acker sind vorbei für mich. Ich freue mich über eine warme Dusche. Im Idealfall kann ich meine Frau und meine Kids noch mitnehmen und kann beide Leidenschaften miteinander verbinden.“ So müsse man das sehen, das mache so eine Eventkreuzfahrt so reizvoll.
Wohin es geht? Nicht ganz so wichtig
Die Reiseroute des Schiffes spielt bei diesen Fahrten oft eine untergeordnete Rolle. „Ich glaube, sie ist den Teilnehmern nicht ganz egal, aber weniger wichtig als normalerweise in der Reiseentscheidung bei einer Kreuzfahrt“, sagt Gina Wagener. Aida und Tui Cruises lassen ihre Schiffe zu den Event- und Themenreisen gern von einem deutschen Hafen ablegen, oft dauern diese Kreuzfahrten fünf bis sieben Tage.
Also perfekt für alle, die einmal eine Kreuzfahrt ausprobieren wollen – oder? Ja und nein. „Im Allgemeinen würde ich nicht sagen, dass man eher eine Themenkreuzfahrt für den Einstieg braucht. Aber für jemanden, der Lust auf das Thema hat, ist es perfekt“, sagt Wagener.
Allen anderen rät die Touristikprofessorin zum Reinschnuppern eher zu einer Ostsee-Kurzreise mit drei Nächten oder ähnlichem. Auswahl abseits von Karneval und Hardrock gibt es jedenfalls genug: Am Gesamtangebot der Reedereien haben die oft mit viel Aufwand verbundenen Event- und Themenreisen nur einen kleinen Anteil.