Am 6. Mai 1848, also vor nunmehr genau 176 Jahren, wurde die körperliche Züchtigung in Preußen als mögliche Strafe bei Gerichtsprozessen abgeschafft. Seitdem durfte kein preußisches Zivil- oder Militärgericht mehr Prügel anordnen, nur noch den Kerker. Das geschieht allerdings auf öffentlichen Druck: Im März 1848 gehen die Bürger in Preußen auf die Barrikaden, fordern Pressefreiheit und die Wahl einer Nationalversammlung. König Friedrich Wilhelm IV. lässt auf seine Untertanen schießen - und macht Zugeständnisse. Im Mai verkündet er, „dass fortan von zivilen und Militärgerichten die Strafe der körperlichen Züchtigung nicht mehr verhängt, sondern statt derselben auf verhältnismäßige Freiheitsstrafe erkannt werden soll“.
Es ist ein Entgegenkommen, denn gerade die Prügelstrafe empfinden die Bürger als demütigende Demonstration staatlicher Macht. Der Erlass lässt sich durchsetzen, weil er die Macht des Königs und der ostelbischen Junker nicht gefährdet. In der Gesellschaft wird jedoch weiter geprügelt: die Häftlinge in den Gefängnissen, das Gesinde und die Landarbeiter auf den Gutshöfen, die Lehrlinge in den Betrieben und die Frauen und Kinder in der Familie. „Die Züchtigung des Ehemannes gegenüber der Ehefrau wird erst 1928 ausdrücklich aufgehoben“, weiß Thomas Vormbaum, Rechtshistoriker an der Fernuniversität Hagen.
Erst der Artikel 2 des Grundgesetzes soll die Prügeltradition 1949 beenden. „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“, heißt es darin. Doch die Realität in Schule und Erziehung sieht in den 1950er- und 60er-Jahren noch anders aus. Thomas Vormbaum erinnert sich an die Rohrstöcke neben dem Pult des Grundschullehrers: „Die Jungen schlug er aufs Hinterteil, die Mädchen auf die Handflächen.“
Das Gewohnheitsrecht schützt prügelnde Lehrer, Erzieher und Eltern. Ein Grundschullehrer bleibt 1957 straffrei, obwohl er seine Schüler mit Ohrfeigen und Rohrstock traktiert hatte.
Nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes sprechen sich mittlerweile 90 Prozent aller Eltern dafür aus, ihre Kinder ohne Schläge zu erziehen. Doch erst ein gutes Drittel schaffe es, sich konsequent daran zu halten. Die Mehrheit greife noch immer zu leichten körperlichen Strafen vom Klaps auf den Po bis zur Ohrfeige. Seit dem Jahr 2000 verbietet das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) seelische Verletzungen, andere entwürdigende Maßnahmen und körperliche Bestrafungen von Kindern. Und das ist auch gut und richtig so.