Bremerhaven

Die Frage nach der Seele der Dinge und wozu Bänke im Frühling einladen

„Moin“ heißt die tägliche, mal augenzwinkernde, mal nachdenkliche Kolumne in der NORDSEE-ZEITUNG. Heute nimmt die Moin-Autorin Platz auf allerlei Bänken.

NZ-Redakteurin Susanne Schwan

Ob sie etwas wie eine Seele haben? Wenn es wahr ist, was Forscher behaupten, dass etwas von den Neutronen, Protonen, all den Teilchen und Wellen, aus denen Lebewesen bestehen, auch in die Materie „toter“ Dinge dringt - kann man mal darüber grübeln. Auf einer Bank an der Frühlingsluft. Da sitze ich auch endlich wieder, beobachte Menschen - und Spatzen und Möwen - auf anderen Bänken. Bänke sind ein bisschen wie wir. Mal glatt, kühl, unbequem, pragmatisch, oder rau, gesplittert, weich geschmirgelt, gemütlich, nostalgisch oder stylish chic... Ich bin nicht wählerisch. Freu mich, wenn mich eine einlädt: Komm, hock dich hin, ich halt dich aus. Kürzlich am Deich lud eine grüne gemütliche ein, schon besiedelt von drei sportlichen „Mädels“ um die 50. Sektpulle am Boden - leer. Picknick auf dem Schoß, Nase zur Sonne, lachend, entspannt. Freie Ecke für mich. „So ein schöner Tag, da haben wir uns spontan hier verabredet. Mal für ‚ne Stunde Ballast abwerfen.“ Ich spüre das heitere Kribbeln überspringen in die Bank. Sie vibriert bei jedem Kichern. Nachmittags am Marktplatz: Drahtbänke im Lichtflirren unter Bäumen. Ein älteres Paar hockt, Köpfe tief gebeugt, stumm auf einer. Er raucht. Sie, im langen Rock, Kopftuch tief in der dunklen, grunzelten Stirn, lässt eine Glasperlenkette durch ihre Finger gleiten. Mag sein, sie sind aus Osteuropa. Der Rücken gekrümmt. Blick zu Boden. Eingehüllt in dieses Schweigen, wie unter der Wucht einer unsichtbaren Last, strahlt die Drahtbank im Sonnenlicht Dunkel aus. Vielleicht, grüble ich, kann sie etwas, das manche Mitmenschen vielleicht nicht können: es tragen, das Leben dieser beiden. Ich mag Bänke.

Susanne Schwan

Reporterin

Die gebürtige Düsseldorferin studierte an der Musikhochschule und war 12 Jahre Theaterschauspielerin. Nach Rundfunk-Ausbildung und Volontariat bei der NORDSEE-ZEITUNG ab 1999 leidenschaftliche Menschen- und Geschichtensammlerin. Nebenbei noch Auftritte mit Literaturprogrammen.

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