Bremerhaven

Der erste Mai, das Meer und mein Abenteuer mit Lütt-Ole allein im Watt

Moin - so heißt die tägliche Kolumne, in der die NZ-Redakteure über Erlebtes plaudern. Heute erzählt die Autorin vom kleinen Ole, der allein im Watt lief.

NZ-Redakteurin Susanne Schwan

NZ-Redakteurin Susanne Schwan Foto: Arnd Hartmann

Maienfeiertagssonnenlaune. Um dem drohenden Gedränge ab Mittag zu entgehen, fahre ich früh am Morgen los, erst zum Stadtstrand, dann drängt’s mich weiter raus, auf den Sahlenburger Sand. Traumhaft. Wasser weg, Sonne da. Noch nicht viel los, da, wo ich mich niederlasse. Knapp einen Kilometer weg vom Hundestrand. Rings um mich nur verstreute Familien, einzelne Sonnenanbeter, Wattenlöper. Da stapft dieser Knirps vom Watt her an mir vorbei Richtung Düne. Werder-Shirt. Käppi. Und sackt direkt vor mir - nächstes besiedeltes Handtuch ist fünf Meter entfernt - plötzlich auf dem Sand zusammen, bricht in herzzerreißendes, verzweifeltes Schluchzen aus. Klingt ernst. Keine Mama naht, kein Papa oder sonst jemand. Ich krabble zu ihm heran, ist er verletzt? Kein Blut zu sehen. Er schluchzt zum Steinerweichen. Und stößt voller Panik raus „MAMA! IST! WEG!!!“ Oha. Mamas lösen sich aber nicht in Luft auf. Ich frag‘ ihn, wie er heißt? „Ole.“, und sag: „Ole, komm, wir suchen Mama und Mama sucht auch nach dir.“ Er schiebt seine kleine Sandhand in meine, wie „Pat und Patachon“ stapfen wir beide durch den Sand, langsam, ich frage, lasse ihn erzählen, um die Tränen zu stoppen. Während er sagt, dass er vier ist, in der Kita in Rotenburg, und dass er mit Mama, Papa und „Zac“ hier ist, rattert mein Hirn: verdammt, wo ist Mama?! Wir laufen und laufen, keiner kommt suchend entgegen. Nach zehn, zwölf Minuten denk‘ ich, jetzt muss ein Strandwächter mit Megaphon ran. Moment mal, Zac? „Mein Hund.“ Hundestrand!! Noch 200 Meter etwa. Da ist dieser Dreikäsehoch so weit auf Abenteuerlust allein durchs Watt... „Ole, wir brüllen jetzt mal ganz doll ‚Zac‘!.“ Wir brüllen im Duett. Laufen zwischen Iglus auf jetzt vollem Strandstück weiter, alle gucken, aber keine rufenden Eltern... Am Hundestrand, endlich: Ein Schrank von Typ kommt entspannt auf uns zu, breitet die tätowierten Arme aus, nimmt den jetzt schluchzenden Knirps auf die Arme, sagt gelassen „Danke!“ - weg. Zum Teufel. Ich beiß‘ mir auf die Zunge, um nix von Aufsichtspflicht zu faseln und drehe ab. Alles gut gegangen, aber mir zittern die Beine. Ole war da allein, zeitlos, orientierungslos, in der Weite des Watts herumgestapft - oh Himmel. Und wo stapft jetzt Arian allein herum...?

Susanne Schwan

Reporterin

Die gebürtige Düsseldorferin studierte an der Musikhochschule und war 12 Jahre Theaterschauspielerin. Nach Rundfunk-Ausbildung und Volontariat bei der NORDSEE-ZEITUNG ab 1999 leidenschaftliche Menschen- und Geschichtensammlerin. Nebenbei noch Auftritte mit Literaturprogrammen.

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