Moin

Alle Vögel sind schon da und wie mir der lichte Lenz auf die Nerven geht

Moin - so heißt die tägliche heiter-besinnliche Kolumne in der NORDSEE-ZEITUNG. Heute hadert die Autorin mit dem Lenz und sucht die Lösung ihres Dilemmas.

NZ-Redakteurin Susanne Schwan

Aussperren - vermutlich hilft nix anderes. Raus mit ihm aus meiner Kemenate. Der Frühling treibt mich zur Verzweiflung. Nu ist er endlich da, mit allem, was dazugehört. Himmlisch. Aber er schert sich den Deibel um meinen Schlaf. Ohrenbetäubend flötet, trillert, zwitschert und ziküt-zikütet das gefiederte Orchester los, kaum dass der Tag anbricht. Gegen sechs. Eine Dreiviertelstunde Schlummer stiehlt mir das Piepmatz-Konzert aus dem Gärtchen vorm Fenster. Obwohl, ich geb‘s zu - es ist betörend störend. Mit dem minütlich wachsenden Morgenlicht wird es immer lauter. Oh, dieses Licht. Ersehnt. Beglückend. Bloß - eine Dreiviertelstunde zu früh, an Arbeitstagen. An Ausschlaf-Tagen ist die Helle die Hölle. Ja, ich bin selbst schuld an der Schlaflosigkeit. Es liegt am Rollo. Daran, dass es fehlt. Ich mag feste Jalousien nicht. Ich mag keine Festung vorm Fenster, sondern fließende Vorhänge. Weiße. Damit es im Winter nicht so duster ist. Aber je schummeriger, umso schlummeriger. Nun steh ich vor der fatalen Frage: Chronischer Schlafentzug oder Seelenruhe - ohne Lenz-Licht und Amsel-Klang? Jedes Jahr dieselbe quälende Entscheidung. Vermutlich mache ich’s wie immer: Ich hol‘ die dunklen Schals aus dem Schrank, kraxle auf die Fensterbank, takele die weißen ab und die violetten drauf. Und drei Tage später kraxle ich noch mal auf die Fensterbank: Lila runter, weiße rauf. Ich liebe es, dass mich der Frühling zur Verzweiflung treibt.

Susanne Schwan

Reporterin

Die gebürtige Düsseldorferin studierte an der Musikhochschule und war 12 Jahre Theaterschauspielerin. Nach Rundfunk-Ausbildung und Volontariat bei der NORDSEE-ZEITUNG ab 1999 leidenschaftliche Menschen- und Geschichtensammlerin. Nebenbei noch Auftritte mit Literaturprogrammen.

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