Wurster Nordseeküste

ZDF-Sportreporter Norbert König sagt Tschüss – oder doch nicht?

Die Olympischen Spiele in Paris waren sein letztes internationales Sportevent am Mikrofon. In Kürze ist ZDF-Sportreporter Norbert König offiziell Ruheständler. Ruhestand? Im Interview lässt der gebürtige Nordholzer durchblicken, dass da noch was geht

Mit 487 Auftritten in der ZDF-Sportreportage gilt Norbert König als Rekordhalter der Sendung.

Mit 487 Auftritten in der ZDF-Sportreportage gilt Norbert König als Rekordhalter der Sendung. Foto: ZDF

Herr König, in ein paar Tagen werden Sie 66. Udo Jürgens hat mal gesungen, dass das Leben dann gerade erst anfängt. Sehen Sie das genauso?

Nee, aber es wird sehr gut weitergehen. Das Leben war vorher lebenswert und das wird auch so bleiben. Nur, dass ich dann am Ende des Monats September ganz offiziell Rentner bin.

Was ist Ihnen rund um die Olympischen Spiele von Paris durch den Kopf gegangen? Haben Sie häufiger mal gedacht, das mach’ ich jetzt zum letzten Mal?

Annähernd gar nicht. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich ein relativ nüchterner Norddeutscher bin. Vielleicht kam ein-, zweimal eine Spur von Wehmut auf. Aber im Prinzip gibt es den scharfen Bruch zwischen Arbeiten und Nichtarbeiten bei mir nicht. Ich bin noch beim ZDF und kann auch nach dem offiziellen Renteneintritt noch ein bisschen weiterarbeiten. Ich bin nicht klapprig und auch immer noch vorzeigbar. Also kommt vielleicht noch der eine oder andere Einsatz in einer heute-Sendung auf mich zu. Das lasse ich einfach auf mich zukommen. Es ist nicht so, dass ich am 1. Oktober die Pantoffeln anziehe und nie wieder in Turnschuhe steige.

Sie sind unter anderem Tischtennisexperte und spielen auch selbst. Wie haben Sie die letzten Olympischen Spiele und das Ausscheiden von Timo Boll erlebt?

Timo Boll ist ein absolut außergewöhnlicher, fast einzigartiger Sportler. Er hat seinen großen Erfolg nie mit einer großen Klappe kombiniert. Er ist immer der normale Timo Boll aus Hessen geblieben, einer, der bescheiden geblieben ist und sehr fair. Selbst bei einem hoch bezahlten Turnier gibt er zu, dass der Ball des Gegners noch an der Kante war, obwohl er das Spiel sonst gewonnen hätte. Dafür hat er mal den Fair-Play-Preis bekommen. Deshalb ist er in vielerlei Hinsicht ein Vorbild, nicht nur im sportlichen Sinne.

Wie nah kommt man als Sportreporter Spitzensportlern? Entwickeln sich auch Freundschaften?

Ich finde, dass sich dieser Beruf und Freundschaften mit Sportlern ausschließen, solange man beruflich miteinander zu tun hat. Wenn ich über jemanden auch mal kritisch berichten möchte, kann ich nicht gleichzeitig mit ihm befreundet sein. Timo Boll und ich kennen uns, aber wir haben nie zusammengesessen und uns privat unterhalten. Das kann sich jetzt mal ergeben, wenn wir beide Ruheständler sind. Da kann er mir mal ein bisschen was beibringen.

Dann könnten Sie mal gegeneinander spielen.

Lieber miteinander. Gegeneinander hätte keinen Sinn. Das Ergebnis wäre 11:0, 11:0, 11:0.

Gibt es Sportler, die Sie verehren?

Nein, ich bin nicht so der Verehrer-Typ. Ich habe auch mein Faible für Fußballvereine immer regional gestaltet. Solange ich noch im Norden war, war ich Werder-Fan. Dann habe ich in Berlin studiert und war halbwegs Hertha-Fan. Und jetzt in Mainz finde ich es sympathisch, dass die Meenzer mit vergleichsweise wenig Geld viel hinbekommen und eine große Identifikation zwischen der Region und dem Verein schaffen. Posthum verehre ich Amy Winehouse oder auch noch ein paar andere Musiker. Aber Sportler? Eher nicht.

Ich hatte immer auch für Menschen Verständnis, die ihre Leistung mal nicht gebracht haben.

Norbert König

Gab es für Sie einen allerschönsten Moment in Ihrer rund 40-jährigen Sportreporterlaufbahn?

Es hat viele schöne Momente gegeben. Mit fällt dazu immer der 400-Meter-Lauf der Frauen bei den Olympischen Spielen in Sydney mit Cathy Freeman ein. Sie war ein Musterbeispiel dafür, dass ein ganzes Land, ja ein ganzer Kontinent, von einer zierlichen Sportlerin erwartet, dass sie in einem bestimmten Lauf die Schnellste ist. Das hat sie auch geschafft, und dann hockte sie erst mal wie ein kleines Häuflein Elend auf der Bahn. Ob dieses Gespräch mit ihr so bewegend war, weiß ich nicht mehr, aber sie kam auch zu mir zum Interview in der Mixed Zone. Ich habe sie gefragt: ‚Da muss Ihnen doch ein Riesenberg von den Schultern gefallen sein, wenn ein ganzes Land den Olympiasieg erwartet?‘ Ich weiß nicht mehr, was sie geantwortet hat. Aber die Sportler haben gerade Unglaubliches geleistet oder eine Riesenenttäuschung erlebt, und dann sollen sie gleich einem halbwegs wildfremden Menschen tiefschürfende Auskünfte geben. Das ist nicht einfach.

Waren Sie auch mal menschlich so richtig enttäuscht? Schließlich kann man sich kaum noch von dem Gedanken freimachen, dass unerlaubte Mittel zur Leistungssteigerung verwendet werden, wenn man an Hochleistungssport denkt.

Sicher ist es enttäuschend, wenn man mehrfach mit einem Sportler gesprochen hat und sich hinterher herausstellt, dass er oder sie gedopt hat. Ein Beispiel ist die Sprinterin Marion Jones. Mit ihr hatte ich mehrmals gesprochen, bevor sie des Dopings überführt wurde. Menschlich bin ich von solchen Fällen natürlich enttäuscht, weil ich dazu neige, immer erst einmal an das Gute zu glauben. Das tue ich auch weiterhin bei dem Weltklassesprinter Usain Bolt, bei dem auch immer geargwöhnt wurde, dass er unerlaubte Mittel angewendet habe. Aber: Es gilt die Unschuldsvermutung, auch wenn es bei der einen oder anderen extraordinären Leistung vielleicht schwerfällt.

Bei der Arbeit: Norbert König im Gespräch mit dem Super-Sprinter Usain Bolt.

Bei der Arbeit: Norbert König im Gespräch mit dem Super-Sprinter Usain Bolt. Foto: ZDF

Bei dem Langläufer Johann Mühlegg, der des Dopings überführt wurde, haben Sie versucht, ihm im Interview ein Geständnis zu entlocken und dafür Kritik einstecken müssen.

Johann Mühlegg hatte mit einem unglaublichen Vorsprung fast täglich seine Rennen bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City gewonnen. Da war ich auch persönlich angefasst, als ich ihn im Studio hatte. Ich hätte ihn gern dazu bewegt zu sagen: Jawohl, ich habe betrogen. Er kam ja relativ bald nach dem positiven Befund zu uns ins Studio. Ich war total überrascht und musste mich innerhalb einer halben Stunde vorbereiten. Ich habe mehrfach gesagt: Herr Mühlegg, schauen Sie in die Kamera und sagen den Zuschauern, ich habe nichts Verbotenes getan. Dann hat er immer wieder geantwortet: Ich warte die B-Probe ab. Man hat mir anschließend vorgeworfen, ich wäre unfair gewesen und hätte die Objektivität verloren. Aber für mich war das so markant: Es kann nicht sein, dass er das mit natürlichen Mitteln geschafft hat. Die B-Probe war dann auch positiv. Das war es dann auch mit der Sportlerkarriere von Johann Mühlegg.

Haben Sie in solch frustrierenden Momenten mal über einen Berufswechsel nachgedacht?

Nein, so extrem war es nicht. Dafür bin ich immer ein zu großer Sportfreund gewesen, und die positiven Aspekte im Leistungssport haben überwogen. Natürlich muss man die negativen Aspekte wie Doping oder auch die extreme Kommerzialisierung beklagen oder auch mal den Finger in die Wunde legen.

Sie sind Sohn eines Fußballers, haben in Ihrer Jugend selbst Fußball gespielt, besitzen ein Trikot des längst nicht mehr existierenden Vereins TuS Bremerhaven 93 - warum sind Sie nicht Experte für Fußball geworden?

Ich konnte ganz passabel spielen, aber Fußball gehört zu den Sportarten, die ich bis heute nicht so ganz durchdrungen habe. Zeitweise habe ich das aktuelle sportstudio (1992-1994, die Red.) moderiert, wo es sich während der Bundesliga-Saison fast ausschließlich um Fußball dreht. Da habe ich gemerkt, dass ich eben nicht nur ein Faible für Mannschaftssportarten, sondern auch für Individualsportarten wie Tischtennis oder Leichtathletik habe oder auch für Sportarten, die nicht so im Rampenlicht stehen. Die Fußballszene ist weitgehend ohne mich ausgekommen, was mich aber nicht davon abgehalten hat, bei zwei Weltmeisterschaften zu moderieren.

Ihre erste Spezialdisziplin als Sportreporter beim ZDF war das Fechten. Wie sind Sie dazu gekommen?

Der Fechtexperte beim ZDF hatte gerade aufgehört, und da haben sie wohl einen Dummen gesucht, der zur Fecht-WM nach Lausanne fährt. Ich war damals ganz neu beim ZDF und wusste vom Fechten so viel wie die Kuh vom Schachspielen. Aber ich bekam die Fechtweltmeisterin Cornelia Hanisch als Co-Kommentatorin mit. Letztlich war die WM die Eintrittskarte für meine ersten Olympischen Spiele 1988 in Seoul.

Weitgehend ohne TV-Kameras kommt der Küstenmarathon in Otterndorf aus, dem Sie seit vielen Jahren als Moderator verbunden sind. Werden Sie das auch über Ihren Ruhestand hinaus bleiben?

Von mir aus gern. September rund um den Weltkindertag ist eigentlich immer für Otterndorf reserviert. Aber das hängt natürlich auch davon ab, ob die Organisatoren mich weiter wollen. Ich fühle mich da jedenfalls wohl und kann dann auch ein bisschen Plattdeutsch schnacken.

Sie haben fast ihr gesamtes Berufsleben bei der ZDF-Hauptredaktion Sport verbracht. Hatten Sie nie das Bedürfnis, mal etwas anderes zu machen, außer Sport? Etliche Ihrer Berufskollegen sind auch in der Showbranche aktiv.

Im Wesentlichen bin ich Sportjournalist. Daneben gab es mal Gastauftritte, etwa bei „Wer weiß denn sowas?“ oder „Gefragt, gejagt“. Aber meine Kernkompetenz ist nicht Unterhaltung, sondern Sportjournalismus. Ich wurde mal gefragt, ob ich Sportchef werden möchte, aber nicht, ob ich eine Show moderieren möchte. Ich glaube, das ist auch besser so.

Warum wollten Sie kein Sportchef werden?

Zu den Aufgaben eines Sportchefs gehören auch Personalverantwortung oder Rechte-Verhandlungen – all das, was mit dem eigentlichen Job des Sportjournalisten nichts zu tun hat. Man muss in dieser Funktion auch konfliktfähig sein und unangenehme Entscheidungen treffen. Ich bin immer eher der Ausgleichende, der Harmoniebedürftige. Ich hatte immer auch für Menschen Verständnis, die ihre Leistung mal nicht gebracht haben.

Apropos Leistung. Dieser unbedingte Wunsch nach Gold fällt auch in Sportkommentaren immer wieder auf. Manchmal heißt es mitunter, dass „nur“ Silber gewonnen wurde. Was halten Sie von diesen Maßstäben?

Der Medaillenspiegel, in seiner hergebrachten Art, ist meines Erachtens unsinnig. Ich bin ein glühender Verfechter der sogenannten Nationenwertung, zumindest in der Leichtathletik. Da ergibt sich mitunter ein ganz anderes Bild als beim Medaillenspiegel, bei dem zuerst einmal nur die Zahl der Goldmedaillen zählt. Eine Punktewertung – etwa 3 Punkte für Gold, 2 für Silber und 1 für Bronze – würde das gesamte Leistungsspektrum zeigen.

In Ihrem Lebenslauf steht, dass Sie nicht aus Nordholz, sondern aus Nordholz-Deichsende stammen. Was bedeutet Ihnen Ihre Herkunft?

Wir könnten an dieser Stelle Enthüllungsjournalismus betreiben. Zwar steht auch in meinem Ausweis als Geburtsort Nordholz-Deichsende, aber ich glaube, dass dieses Krankenhaus zu Wursterheide gehörte. Vielleicht ist das mal eine Frage für die Leser. Mich würde das tatsächlich interessieren, wo 1958 die Kinder in Nordholz geschlüpft sind. Möglicherweise bin ich also in Wursterheide und nicht in Deichsende geboren. Jedenfalls bedeutet mir Heimat sehr viel. Die Weite, Watt, Wind – ich bin da nach wie vor immer noch gern. Das Aufwachsen in der Provinz hat mich geprägt. Früher haben wir uns zu Spieka zugehörig gefühlt. Einmal hat die Post gesagt, ihr seid jetzt offiziell Cappeler. Meine Frau war mal ganz geknickt, als ich bei Bettina Tietjen auf dem Roten Sofa (DAS!) gesagt habe, dass ich mich als Norddeutscher fühle. Aber das muss meine Frau, die Vorderpfälzerin, verkraften. Ich kann mittlerweile auch Rhoihessisch babbeln, aber im Herzen bin und bleibe ich bis zum letzten Atemzug Norddeutscher.

Sport begleitet Sie nicht nur beruflich, sondern auch privat. Neben dem Fußball pflegen Sie noch eine weitere Leidenschaft.

Tischtennis. Das hab’ ich schon als Kind beim SV Spieka gespielt, unter der Leitung von Pastor Koch bei Karl Peter auf dem Saal in Spieka. Der Pastor hatte sogar einen Tischtennis-Roboter angeschafft, der die Tischtennisbälle ausspuckte. Später bin ich zur TSG Nordholz gewechselt und habe auch an der Uni Tischtennis gespielt. Bis mir einer gesagt hat, dass ich den Schläger falsch halte. Da war ich beleidigt und habe erst mal aufgehört. Als ich in den Mainzer Raum kam, bin ich in den Verein TTV Nierstein eingetreten, wo ich, 30 Jahre später, immer noch spiele.

Beim Küstenmarathon in Otterndorf hat man Sie auch schon laufen sehen. Wie sieht es mit Ihren leichtathletischen Ambitionen aus?

Fünf oder zehn Kilometer bin ich in Otterndorf schon gelaufen, denn in erster Linie bin ich ja als Interviewer und Kommentator dort. Diese Strecken schaff’ ich auch noch ohne Vorbereitung. Vor gut 20 Jahren bin ich auch zweimal den Helgoland-Marathon mitgelaufen. Und einmal den Berlin-Marathon.

Mittlerweile leben Sie länger im Südwesten Deutschlands als im Norden. Vermissen Sie nicht manchmal einen Wattspaziergang nach Feierabend oder ein paar frische Krabben aus dem Spiekaer Kutterhafen?

Ich kann ja jederzeit hinfahren, wenn ich möchte. Aber ich denke, dass wir im Südwesten bleiben werden. Aber wenn jetzt einer sagt, er hat noch einen tollen Job für die nächsten drei Jahre – beim NDR oder Radio Bremen -, kann ich ja mal über eine Zweitwohnung im Norden nachdenken. Plattdeutsche Nachrichten mit Norbert König dienstags um 12 Uhr. (Lacht.)

Zur Person

Norbert König wurde am 4. September 1958 in Nordholz geboren. Von 1979 bis 1984 studierte er Publi­zistik, Amerikanistik und Sport in Berlin. Nach ersten beruflichen Erfahrungen beim beim SFB, Sport (Hörfunk und Fernsehen) wechselte er 1987 in die ZDF-Sportredaktion. Er arbeitete als Reporter und Moderator bei „sportstudio live“, „sportstudio reportage“, präsentierte den Sport in „heute“ und „Mittagsmagazin“ und anderen aktuellen Sportsendungen des ZDF (u.a. Fußball-Welt- und Europameisterschaften, nordische Ski-Weltmeisterschaften, Leichtathletik-WM und -EM, Olympische Sommer- und Winterspiele seit 1988, Biathlon-Weltcup und alpine Ski–Weltmeisterschaften. Norbert König lebt in Rheinland-Pfalz, ist verheiratet und Vater zweier Söhne.

Norbert König gehört zu den bekanntesten (Sport-)Reportergesichtern des ZDF. Seit mehr als 35 Jahren arbeitet er für den Sender.

Norbert König gehört zu den bekanntesten (Sport-)Reportergesichtern des ZDF. Seit mehr als 35 Jahren arbeitet er für den Sender. Foto: ZDF / Ulrike Lenz

Heike Leuschner

Reporterin

Heike Leuschner hat sich nach einem Jura-Studium für die journalistische Laufbahn entschieden. Seit 2010 ist sie als Redakteurin in der Lokalredaktion der NORDSEE-ZEITUNG beschäftigt. Privat sieht man sie oft mit Kamera – oder gar nicht. Dann ist sie auf Reisen.

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