Der Bremerhavener Polizist, der die Obduktion der Leiche beobachtet hatte, war über die Anzahl der Verletzungen „erschrocken“. „Das waren unfassbar viele“, sagte er am Dienstag vor dem Landgericht Bremen, wo der Angeklagte Adnan H. sich wegen Totschlags verantworten muss. Der Kripobeamte sprach von etlichen Abwehrwunden an den Händen, von vielen kleinen Einschnitten. Es wurden fünf Bisse im Oberkörper festgestellt. Und mit Fausthieben gegen den Kopf soll der 28 Jahre alte Täter seinem Opfer die Nase gebrochen haben. Dann soll er den 50-jährigen Mann mit einem Band stranguliert haben, womöglich mit dem Handgriff einer Einkaufstasche. Drei bis fünf Minuten soll er sein Opfer derart gequält haben. Was war passiert, dass der Angeklagte mit bosnischem und niederländischem Pass dermaßen ausgerastet sein soll?
Heruntergekommene Unterkunft
Das Unfassbare geschah am 13. Juni, nachts zwischen 1.25 und 5.30 Uhr. Der Tatort befindet sich in einem Haus in der Geestemünder Klopstockstraße. Es wirkt ziemlich heruntergekommen. Ebenso wie die sechs Zimmer, in denen Monteure eines Unternehmers mehr schlecht als recht untergebracht sind. Auf dem Briefkasten sind mit Stift etliche Namen nachlässig geschrieben worden, an der Klingel befinden sich noch die Namen derjenigen, denen das Haus einmal gehört haben muss. Inzwischen ist hier alles vollgestopft mit Kleiderhaufen, Wäscheständern, es stehen Schnapsflaschen und Bierdosen herum. Die Tapeten sind hier vergilbt. In einem Zimmer sind sie nun voller Blutspritzer.
Täter und Opfer lebten in diesem Haus, jeder hatte ein kleines Zimmer. Beide Räume zeichneten sich laut Polizeiaussage dadurch aus, dass hier Unmengen an leeren Alkoholflaschen herumstanden. Laut Anklageschrift soll es zwischen den beiden Männern zum Streit gekommen sein. Angeblich ging es um Geld. Merkwürdigerweise muss sich der Kampf über einen längeren Zeitraum im Zimmer des Opfers hingezogen haben. Blutverschmiert tauchte Adnan H. angeblich bei einem Nachbarn vor dem Zimmer auf und rauchte an der Tür eine Zigarette. Dann ging er wieder zurück in das Zimmer, wo der Zeuge eine zweite, abgekämpft wirkende Person gesehen hat.
Weil er weiterhin laute Geräusche hörte, rief der Zimmernachbar den Chef an und sagte ihm, er solle sich um die Streithähne kümmern. Ein anderer Mitbewohner, der spät von der Nachtschicht heimkehrte, traf den Angeklagten dann rauchend in der Küche an. Er habe gesagt, dass der andere tot sei.
Die Polizei wurde erst spät alarmiert
Die Polizei erreichte die Meldung, dass hier eine Leiche gefunden wurde, auffällig spät. Erst gegen 17.30 Uhr traf sie ein. Es war für die Beamten nicht einfach, den Fall zu untersuchen. Die Bewohner waren nicht ordnungsgemäß gemeldet, viele sprachen kein oder nur gebrochen Deutsch. Und der Tatverdächtige war bereits verschwunden.
Zwei Tage später sah ein Polizeibeamter, der gerade mit seinem Auto privat in Wulsdorf unterwegs war, zufällig den Verdächtigen. Er alarmierte die Kollegen und stellte den Mann auf der Straße, der sich widerstandslos festnehmen ließ.
Im Prozess will er bislang nicht aussagen. Seine Anwältin forderte zunächst eine Art Absprache mit dem Gericht, bevor sich der Mandant womöglich geständig zeigt. Aber Richter Jürgen Seifert wollte sich angesichts der Tatsache, dass hier ein Mensch zu Tode gekommen ist, darauf nicht einlassen. Ziel der Anwältin war es offenbar, die Anklage in Körperverletzung mit Todesfolge abzumildern.