In der schönen Jahreszeit finden Oldtimertreffen in der Region statt und bei Sonnenschein sind so einige Autos mit H-Kennzeichen aus vergangenen Zeiten im Landkreis zu sehen. Ein Wagen scheint dabei besonders beliebt und heutzutage ein echter Hingucker zu sein: der Mercedes W123. Wenn ich dieses Modell des Autobauers aus Stuttgart sehe, werden Kindheitserinnerungen wach - allerdings keine so richtig guten. Zu Hause hatten wir diesen Benz mit dem großen Lenkrad. Es war ein richtiges Hofauto.
Meine Eltern und Großeltern teilten sich den Wagen und dieser war mir als Teenager oft peinlich. Es kam vor, dass mich jemand mit dem W123 zur Schule bringen musste.
Mein Opa Werner hatte viel Zeit und kutschierte uns Geschwister gerne. Er lenkte den silbernen Diesel natürlich bis vor den Haupteingang des Gymnasiums und sorgte dann für Aufsehen: Er sauste mit viel Gas und ohne zu schalten davon - und ich lief kopfschüttelnd und peinlich berührt in die Schule.
Vielleicht haben Sie jetzt diesen heulenden Motor im Ohr, einfach schrecklich. Der solide Benz hing hinten etwas durch, denn es lag entweder ein Sack Möhren für die Pferde oder ein Maschinenteil im Kofferraum, das noch nach Hamersen gebracht werden sollte.
Das Auto war im Nachhinein aber gar nicht das Problem, sondern eingebildete Mitschüler. Wir Normalos konnten nicht mit Kindern aus der Stadt mithalten.
Blicke ließen uns das spüren. Kinder von Eltern mit Super-Jobs grüßten uns Dorfkinder nur notgedrungen oder gar nicht. Aussehen und Herkunft dürfen keine Rolle spielen, schon gar nicht unter Kindern, oder?
Sie wussten es damals wohl nicht besser, denn heute grüßen mich diese Leute freundlich. Aber wissen Sie was? Wenn sie es nicht täten, wäre es mir mittlerweile vollkommen egal. Ob sie wohl irgendwann in einem W123 mit H-Kennzeichen an mir vorbeifahren? Top gepflegt und restauriert natürlich, ein lustiger Gedanke.